FilmMaterialien 6 - Paul Dessau.

Kammermusik und Filmmusik

Nachtvorstellung in der Alhambra

Von Lotte H. Eisner

in: Film-Kurier, Nr. 107, 6.5.1929


Bemüht um moderne Originalmusik für den Film, zeigt Paul Dessau mit seinem Alhambra-Kammerorchester in einer Nachtvorstellung die Wege, die zu gehen sind.

Der Gedanke des Musikfestes von Baden-Baden wird aufgegriffen. Kammermusik und Filmmusik werden in glücklicher Folge einem verständnisvollen Publikum nahegebracht. An Stelle des absoluten Filmes hat man Märchen und Trickfilme gewählt: Den Starewitch-Film DIE WUNDERUHR, Lotte Reinigers SCHEINTOTEN CHINESEN und einen Trickfilm von Descen.

Zur WUNDERUHR hat Dessau eine ungemein farbige Musik gefunden, die den Augenblick unmittelbar umsetzt, ihn stützt und ausdeutet. Die Verschiedenheit der Stimmung gibt ihm dabei die Möglichkeit, zu variieren, über eine Nur-Interpretation hinauszugelangen zur bewußten Neuschöpfung des Vorganges.

In dem Trickfilm ALICE UND DER SELBSTMÖRDER gibt er sich sprunghafter, auf den Witz aus und voll Geist die Pointe herausholend. So schafft er beide Male nach der Wesensart der Filme in sich abgeschlossene Formen neuer Filmillustrierung.

Für den SCHEINTOTEN CHINESEN hat Hans Erdmann eine reizvolle flüssige Musik geschrieben. Nach der Idylle hin wird der Rhythmus des bezaubernden Silhouettenspiels erfaßt und wird selber zur Arabeske der Arabeske.

Dessau und Erdmann, zwei Antipoden, haben damit jeder auf seine Art den Weg zur Filmmusik gefunden.

Hindemiths Baden-Badener Film REVOLUTION DER SCHUSSWAFFEN ist nicht mit aufgenommen worden. Wie sehr er aber für die Filmmusik in Frage zu kommen hat, zeigt seine »Spielmusik«, eine anmutige Variation des »Ein Jäger aus Kurpfalz« und seine »Kammermusik Nr. 1«, ein früheres Werk, ungemein eindringlich und einheitlich im Stil.

Paul Dessaus Sonatine für Bratsche und Cembalo schließt sich seinen Filmmusikschöpfungen glücklich an in ihrem Sinn für variierende Klangfarbe und neue Toneinfälle. Paul Hindemiths Spiel schöpft hier alle Möglichkeiten aus.

Das Alhambra-Kammerorchester selbst ist ebenfalls eine Freude, die Namen Strub, Steiner, Schubert, Taube, Kruttge, Lohrs, Richter, Borgwald, Liebe, Krüger, die das Programm mit Recht nennt, seien darum hier genannt.

Ein Abend also, der in Stückwahl und Wiedergabe bester Beweis für die neue Wertung der Filmmusik geworden ist.


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