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Richard Oswald - Regisseur, Autor, Produzent

Biografie

siehe auch: Filmografie, CineGraph Buch

Richard W. Ornstein wird am 5. November 1880 in Wien geboren. Sein Vater, der wohlhabende Kaufmann Alois Ornstein, ist ein strenggläubiger Jude, die Mutter Fanny, geb. Bruck, ist mit Arthur Kahane, Max Reinhardts späterem Dramaturgen verschwägert. Ab 1896 besucht Richard das Theaterseminar, studiert bei Friedrich Mitterwurzer. Oswald schließt sich als Schauspieler und Bühnenarbeiter Wander- und Provinzbühnen an, tingelt durch Österreich-Ungarn: Graz, Zaim, Preßburg. 1907 geht er an das Raimund-Theater in Wien. Im literarischen Kabarett in der Johannesgasse lernt er Egon Friedell und Peter Altenberg kennen. Er wechselt an das Theater in der Josefstadt und arbeitet hier auch als Dramaturg und Regisseur. 1909 entstehen Sketche und kleine Bühnenstücke, so "Manolescu" und "Pariser Ehen" (gemeinsam mit Alfred Grünwald), auch eine szenische Version des Sherlock Holmes-Romans "The Hound of the Baskervilles", die mit Erfolg im Intimen Theater in der Praterstraße aufgeführt werden.

Nach antisemitischen Angriffen geht Oswald im Herbst 1910 an das Düsseldorfer Schauspielhaus unter der Leitung von Louise Dumont und Gustav Lindemann. Oswalds Rollen finden sich meist im unteren Teil der Programmzettel: Reitknecht, Schaffner, Schuster, Gläubiger, Kellner und ein Korinther. Wiederholt steht er in Stücken österreichischer Autoren auf der Bühne: Grillparzer, Molnár, Schnitzler. In Matineen tritt er als Sänger von Offenbach-Arien oder Nestroy-Couplets auf. Neben Lindemann und Dumont sind Arthur Holz, Paul Henckels und vor allem Reinhard Bruck seine Regisseure.

In Düsseldorf kommt er in Kontakt mit Ludwig Gottschalk, der als Direktor der Düsseldorfer Film-Manufaktur seit Herbst 1909 erfolgreich Filme verleiht und produziert. Oswald tritt 1911 in zwei Filmen auf, die Reinhard Bruck inszeniert: in HALBWELT neben der Tänzerin Maja Sering und in der zweiaktigen Tragödie ZOUZA neben Mademoiselle Polaire aus Paris, der "weltbekannten Schöpferin des Apachentanzes (Danse noir)". Am Theater lernt Oswald auch Katharina Wilhelmine Maria Paar kennen, die sich als Schauspielerin Käte Waldeck nennt. Sie wird seine Frau. 1913 zieht Oswald mit ihr und der inzwischen geborenen Tochter Ruth nach Berlin, wo er ein Engagement am Neuen Volkstheater annimmt.

Oswalds Jugendfreund Hermann Fellner, der 1907 mit den Brüdern Max und Jules Greenbaum die Filmfirma Deutsche Vitascope GmbH gegründet hat, engagiert ihn als Dramaturg und Reklamefachmann. Er tritt die Stelle zum 1.1.1914 im Vitascope-Atelier in Berlin-Weißensee an. Für die Vitascope, die gerade mit der Projektions-AG "Union" (PAGU) fusioniert wird, adaptiert Oswald Conan Doyles Kriminalroman DER HUND VON BASKERVILLE, der unter der Regie von Rudolf Meinert zum sensationellen Erfolg wird, so daß man den zweiten Teil DAS EINSAME HAUS folgen läßt, wiederum mit Alwin Neuß als Sherlock Holmes und Friedrich Kühne als Gegenspieler Stapleton. Oswald macht sich schnell einen Namen als Autor; er schreibt auch für Nunek Danuky und Max Mack, zeigt dabei Gespür für publikumswirksame Stoffe.

Nach Beginn des Ersten Weltkriegs überträgt die Vitascope dem wehruntauglichen Oswald auch die Regie von Filmen. Mit DAS EISERNE KREUZ kommt er zum erstenmal in Konflikt mit der Zensur; der 2. und 3. Akt des Dreiakters werden verboten, damit ist der Film nicht mehr aufführbar. Er dreht mit dem jüdischen Schauspiel-Star Rudolf Schildkraut, darunter 1915 zwei Filme für die neu gegründete Greenbaum-Film GmbH, für die Oswald nun als Ober-Regisseur und Autor arbeitet. Um seinen Wechsel von der Vitascope / PAGU zu Greenbaum entbrennt ein Anzeigenkrieg, denn Oswald dreht nun für die neue Firma, aber mit den alten Darstellern Alwin Neuß und Friedrich Kühne einen dritten Teil der Baskerville-Serie, DAS UNHEIMLICHE ZIMMER, dem die PAGU einen eigenen dritten Teil, DAS DUNKLE SCHLOSS mit Eugen Burg und Friedrich Zelnik, entgegenstellt. Oswalds Film wird von der Zensur "für die Dauer des Krieges verboten", läuft aber mit großem Erfolg im neutralen Ausland.

Bereits nach wenigen Monaten - und fünf Filmen - trennt sich Oswald aus finanziellen Gründen von Greenbaum und wechselt zu Lothar Stark. Möglicherweise dient der Verleihfachmann Stark dem zu Selbständigkeit drängenden österreichischen Staatsbürger Oswald als Strohmann für seine Produktions-Ambitionen. Da jetzt die bisher beliebten englischen Detektive als "Feinde" nicht mehr gern gesehen sind, kreiert Oswald den deutschen Detektiv Engelbert Fox, gespielt von Erich Kaiser-Titz. Dieser verkörpert auch die Titelrolle in HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN, in dem Werner Krauß sein Film-Debüt hat.

Im Frühjahr 1916 gründet Oswald die Richard Oswald-Film-Gesellschaft. Finanziers der Firma, deren Stammkapital 21 000 Reichsmark beträgt, sind zunächst Herren von der "Philantropischen Lichtbilder-GmbH" aus Straßburg. Oswald kann nach wenigen Monaten deren Anteilscheine aufkaufen, so daß er - gemeinsam mit dem Kinobesitzer René Durlach als Partner und Geschäftsführer - Inhaber der Firma ist, die ihr Büro in der Friedrichstraße 14 eröffnet. Als Kameramann engagiert er Max Faßbender, für die Dekorationen den Kunstmaler und späteren Regisseur Manfred Noa.

Im Produktionsprogramm seiner neuen Firma - es laufen eine "Richard Oswald-Serie" und eine "Bernd Aldor-Serie" parallel - hält sich Oswald an das erfolgreiche Rezept: Literatur-Adaptionen und Detektivfilme. Diese laufen jetzt unter dem neuen Serien-Etikett DAS UNHEIMLICHE HAUS. In der Rolle des Detektivs Engelbert Fox erscheint im zweiten Teil, FREITAG, DER 13., zum erstenmal Reinhold Schünzel in Oswalds Ensemble. Im Frühjahr 1917 persifliert Oswald die Erfolgsserie, indem er den Karikaturisten Antonescu den Zeichentrickfilm HULDA, DIE VERLOREN GEGANGENE DAME herstellen läßt, der als "Das unheimliche Haus - 587. Teil" angekündigt wird. Der Film RENNFIEBER (1917/18) verweist auf Oswalds Hobby, der sich zeitweilig einen erfolgreichen Rennstall hält.

Ende 1916 entsteht nach einer Idee von Lupu Pick der erste jener Filme, die Oswalds Nachruhm in der Filmgeschichtsschreibung geprägt haben. Mit ES WERDE LICHT! wagt Oswald eine Themenspekulation. Der Film entsteht mit Unterstützung der "Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten" und ist der erste sogenannte "Aufklärungsfilm", ein gesellschaftliches Tabu brechend in der Beschäftigung mit den als "Volkskrankheit" verbreiteten Geschlechtskrankheiten. Der Film, von Oswald als "Sozialhygienisches Werk" annonciert, wird ebenso gelobt wie abgelehnt. Oswald wird einer der heftigst angefeindeten Regisseure des Weimarer Films, nicht selten ist die Kritik an ihm von antisemitischen Ausfällen begleitet. Er popularisiert die Thesen des Sexualforschers Magnus Hirschfeld, vergewissert sich auch der Unterstützung anderer Gelehrter wie Iwan Bloch. In der sogenannten "zensurlosen" Phase gedreht, forcieren Oswalds Aufklärungsfilme, vor allem aber die zahlreichen spekulativen Nachahmer, eine Debatte über die Wiedereinführung der Pflichtzensur.

1918 entsteht DAS TAGEBUCH EINER VERLORENEN, nach einem Roman von Margarete Böhme, daran anschließend DIDA IBSENS GESCHICHTE, eine Fallstudie der sexuellen Abhängigkeit mit deutlich sado-masochistischer Ausprägung mit Anita Berber, Conrad Veidt und Werner Krauß, die (mit Schünzel) den Nukleus des oswaldschen Ensembles bilden. ANDERS ALS DIE ANDERN ist die erste filmische Auseinandersetzung über die strafrechtliche Stigmatisierung der Homosexualität. (Der Film wird 1921 wieder verboten; erhalten sind nur Fragmente, die 1927 - wiederum stark zensiert - in dem Dokumentarfilm GESETZE DER LIEBE Verwendung gefunden haben.)

Neben diesen oft angefeindeten Produktionen ergreift Oswald immer wieder die Gelegenheit, in anderen Medien erfolgreiche Stoffe auf die Leinwand zu bringen: Georg Hermann Borchardts JETTCHEN GEBERTS GESCHICHTE und Jules Vernes DIE REISE UM DIE ERDE IN 80 TAGEN, Werner Scheffs Ullstein-Roman DIE ARCHE. Ibsens PEER GYNT übernimmt er in Victor Barnowskys erfolgreicher Inszenierung am Lessing-Theater. 1919 angekündigte, doch nicht realisierte Projekte sind ein Film über Friedrich den Großen und das "mehrteilige nationale Filmwerk" "Die Nibelungen".

Am 19. September 1919 wird das ehemalige Prinzeß-Theater, Kantstraße 163, als "Richard-Oswald-Lichtspiele" neueröffnet. Das 800-Plätze-Kino gehört zur Richard Oswald-Lichtspieltheater GmbH. Ein in der Köpenicker Straße 68 im Oktober 1920 eröffnetes zweites Haus wechselt bereits zum 1. Januar 1920 wieder den Besitzer. Ab Anfang 1920 ist Oswald alleiniger Geschäftsführer des Hauses in der Kantstraße. Die Richard Oswald-Lichtspieltheater GmbH bleibt auch selbständig, als Oswald im November 1919 seine Produktionsfirma kurzfristig mit der Rheinischen Lichtbild AG im Bioscop-Konzern fusioniert. Oswald tritt als Direktor in den Konzern ein und wird künstlerischer Oberleiter.

Im Frühjahr 1921 wird die - inzwischen wieder vom Bioscop-Konzern gelöste - Richard Oswald-GmbH in eine AG mit einem Grundkapital von 5,5 Millionen Reichsmark umgewandelt. Neben dem Generaldirektor Oswald übernimmt Alexander Engel die kaufmännische Leitung, dritter Direktor ist der - durch seine Frau, die Schauspielerin Assunta Avalun (Aenne Ullstein) filminteressierte - Verlegersohn Heinz Ullstein. Bei der Bekanntgabe der Firmengründung im Hotel Adlon stellt Oswald sein Programm vor: "Er betonte, er müsse außer großen Filmen auch Abenteurerfilme erzeugen, denn man könne nicht gegen den Strom schwimmen. Bei der Erzeugung der großen Filme müsse man auf den Geschmack Amerikas Rücksicht nehmen, des einzigen Landes, das einen Film bezahlen kann. Denn wenn ein Film heute 4 Millionen kostet, kann Deutschland allein höchstens 1 1/2 Millionen herein bringen." (Film-Kurier, 11.4.1921). Neben drei von Louis Ralph inszenierten Abenteurerfilmen werden drei Millionenfilme angekündigt: außer LADY HAMILTON der Science-fiction-Film "Ein Rückblick aus dem Jahre 3000" und - nach dem Roman von Richard Voss - "Ein Königsdrama". Oswalds Hinwendung zum teuren Ausstattungsfilm findet ein zwiespältiges Echo in der Kritik: "Ein Temperament, das auf Beobachtung des Typischen eingestellt ist, das den modernen Großstadtfilm schaffen könnte, wendet sich dem historischen Kostümfilm zu, wozu ihm die Voraussetzungen des Geschmackes und der Phantasie fehlen." (H. Ihering, Berliner Börsen-Courier, 24.10.1921).

Im Januar 1922 wird die Erweiterung der Aktiengesellschaft zum Richard Oswald-Konzern verkündet; Tochtergesellschaften gruppieren sich jeweils um einen prominenten Filmschaffenden: Conrad Veidt-Film GmbH, Carl Mayer-Film GmbH, Heinz Ullstein-Film GmbH sowie die Nina Lizza-Film GmbH, schließlich eine Leopold Jessner-Film GmbH. Die Richard Oswald-AG arbeitet zunächst erfolgreich, erhöht das Kapital auf ihrer außerordentlichen Generalversammlung am 31. Januar 1922 in Frankfurt auf 12,5 Millionen und kann nach einem Jahr eine Dividende von 40% ausschütten. Grundlage ist der erfolgreiche Auslandsverkauf von LADY HAMILTON, der harte Dollars einbringt.

Im Hochgefühl, an der Spitze der deutschen Filmindustrie zu stehen (an dem Anspruch entzündet sich ein Streit zwischen Film-Kurier und Lichtbild-Bühne), schreibt Oswald einen Richard Oswald-Filmpreis für das beste Filmexposé aus, dotiert mit 200 000 Mark. Aus den eingereichten 1600 Manuskripten kürt die Jury vier Preise zu je 50 000 Mark: Sie gehen an den katholischen Lyriker Hans Roselieb, den expressionistischen Architekten Bruno Traut, den Dramatiker Walter Petry sowie an Arnolt Bronnen & Bertolt Brecht.

Im Frühjahr 1923 kündigt Oswald seinen Großfilm für 1923 an: "Margarete. Die Sage von Doktor Faust". Im Mai 1923 erhöht die Generalversammlung das Stammkapital auf 75 Millionen Mark und beschließt eine Dividenden-Ausschüttung von 300%. Der "Faust"-Film wird nicht gedreht und die Schiller-Adaption CARLOS UND ELISABETH ein Mißerfolg. Daraufhin wendet sich Oswald wieder den Genre-Filmen zu, die finanziell weniger aufwendig sind und die er als Regisseur besser beherrscht. "DIE FRAU VON VIERZIG JAHREN ist der kultivierteste Konversationsfilm, der seit Jahren aus der deutschen Filmproduktion hervorgegangen ist." (Film-Kurier, 15.4.1925). Im Herbst 1925 dreht er im Trianon-Atelier Berlin-Grunewald gleichzeitig zwei Milieufilme, mit denen er wieder in Konflikt mit der Zensur kommt: VORDERHAUS UND HINTERHAUS wird im November 1925 insgesamt siebenmal verboten, schließlich nach Umarbeitungen und Kürzungen freigegeben.

Ende 1925 ist die Lage der Richard Oswald Film-AG offenbar prekär; die Geschäftsberichte für die Jahre 1923/24 und 1924/25 werden erst am 1. März 1926 auf einer Generalversammlung in Hannover vorgelegt und das Aktienkapital von 200 Millionen auf 20.000 Mark umgestellt. Anschließend wird die Richard Oswald-Film AG liquidiert, wobei Vorstand und Aufsichtsrat die Entlastung verweigert wird. Mangels Masse muß kurz darauf Konkurs angemeldet werden.

Oswald arbeitet trotz dieser Turbulenzen unermüdlich weiter. Nachdem er von den 1925 für die AG angekündigten Filmen zwei für die Deulig fertiggestellt hat, entsteht der dritte - ein Remake von ES WERDE LICHT! - als Produktion der neuen Nero Film-GmbH (Die Buchstaben "NE" stehen für Heinrich Nebenzahl, "RO" für Richard Oswald). Beide haben die Nero als Tochtergesellschaft ihrer Firmen Richard Oswald Produktion GmbH und der Heinrich Nebenzahl & Co GmbH gegründet.

Abnehmer der neuen Oswald-Filme, für die die Richard Oswald Produktion GmbH zeichnet, ist der Emelka-Konzern, der süddeutsch-österreichische Stoffe bevorzugt: WIR SIND VOM K.U.K. INFANTERIEREGIMENT, IM WEISSEN RÖSSL mit der Fortsetzung ALS ICH WIEDERKAM. Seine Jahresprogramme 1926/27 und 1927/28 verteilt Oswald auf die Deutsch-Nordische Film-Union GmbH und die Matador-Film-Verleih GmbH, hinter der Carl Laemmles Universal Pictures Corp. steht. Dabei wagt er sich auch an politisch riskante Stoffe, so 1927 an FEME - nach einem Ullstein-Roman von Vicki Baum, der die Ermordung Walter Rathenaus durch Rechtsradikale als Vorlage benutzt - der trotz seiner vorsichtigen Ausführung heftige Angriffe der politischen Rechten, vor allem der NSDAP, hervorruft.

Im letzten Jahr des Stummfilms dreht Oswald wieder zwei internationale Filme, die er allerdings nicht selbst produziert. Für das italienische Melodram VILLA FALCONIERI liefert der erfolgreiche Trivialautor Richard Voss die Vorlage. CAGLIOSTRO, der in Paris entsteht, ist - in Kameraführung und Ausstattung opulent - der Abgesang eines zusammengewürfelten europäischen Teams auf den Stummfilm. In Deutschland greift Oswald, für verschiedene Produzenten arbeitend, auf Bewährtes zurück: noch einmal DER HUND VON BASKERVILLE, dann die Adaption von Wedekinds einst umstrittenen FRÜHLINGS ERWACHEN (es sind gerade Pubertäts-Filme en vogue); für die Nero-Film nimmt er mit seinem auf Zeitstoffe spezialisierten Autoren-Team Herbert Juttke und Georg C. Klaren ein aktuelles Schlagwort auf: EHE IN NOT. Für Henny Portens Firma, die mit der Nero verbunden ist, entsteht sein letzter Stummfilm: DIE HERRIN UND IHR KNECHT.

Am 3. April 1930 hat Oswalds erster Tonfilm Premiere. In WIEN, DU STADT DER LIEDER - einem überragenden Publikumserfolg - bricht er das damals besonders beliebte "Wien, Weib und Gesang"-Genre, indem er die meisten Hauptrollen mit Stars der berliner Kabarett-Szene besetzt: Siegfried Arno, Paul Morgan, Max Ehrlich und Paul Graetz. Wie bei seiner Stummfilm-Produktion wechselt er in einer bunten Mischung die Genres: Tonfilm-Operetten (DIE BLUME VON HAWAI; GRÄFIN MARIZA), Schwänke (DIE ZÄRTLICHEN VERWANDTEN) und Komödien, die die depressive Grundstimmung der Zeit komisch wenden (ARM WIE EINE KIRCHENMAUS).

Dreharbeiten zu DREYFUS: Richard Oswald, Heinrich George

Er produziert weiterhin in seiner eigenen Firma, der Richard Oswald Produktion GmbH, ab 1931 unter dem Signet Roto G. P.-Film, wobei er mit Gabriel Pascals Welt-Vertriebsfirma kooperiert. Diese Filme sind vorweg durch Verkauf an Verleihe finanziell abgesichert, teils von der Südfilm (Emelka), teils von Erich Morawskys und Georg Caspers Atlas-Film.
Oswalds bleibenden Ruhm als Tonfilm-Regisseur begründen drei Filme, in denen er sich filmisch mit der jüngsten Vergangenheit auseinandersetzt: Seine Adaption von Carl Zuckmayers DER HAUPTMANN VON KÖPENICK mit Max Adalbert als scharf karikierende Charakter- und Gesellschaftsstudie; DREYFUS ist ein epischer Film mit großer Besetzung; das Geschichtspanorama "1914". DIE LETZTEN TAGE VOR DEM WELTBRAND, der anhand von Akten die höfisch-diplomatischen Rankünen darstellt, die zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs geführt haben, löst einen Zensurskandal aus, enttäuscht dann wegen seiner steifen, tableauxartigen Dramaturgie. Auch die angekündigten, jedoch nicht realisierten Projekte ordnen sich in die Themenpalette ein: 1931 ein "Rasputin" mit Heinrich George, 1932/33 "Kronprinz Rudolf" - nach einem Drehbuch von Stefan Großmann und Heinz Goldberg - über die geheimnisumwobene Affäre von Mayerling, schließlich die Adaptionen von Ferdinand Bruckners Bühnenerfolg "Verbrecher" und Irmgard Keuns Zeitroman "Das kunstseidene Mädchen".

Als Ende Januar 1933 Hitler Reichskanzler wird, dreht Oswald gerade im Ufa-Atelier Tempelhof Paul Abrahams Operette DIE BLUME VON HAWAI. Zur Premiere von EIN LIED GEHT UM DIE WELT mit dem populären (jüdischen) Rundfunk-Tenor Joseph Schmidt erscheint am 9. Mai 1933 der neuernannte Propagandaminister Joseph Goebbels. Während der Schmidt-Film der große Kino-Erfolg des Sommers 1933 ist, gehört Oswalds GANOVENEHRE zu den ersten Spielfilmen, deren Zensurfreigabe von der Oberprüfstelle widerrufen wird.

Mit der Machtergreifung der Nazis muß auch Oswald Deutschland verlassen. In vier europäischen Ländern kann er noch einmal Filme drehen: In den Niederlanden BLEEKE BET, eine realistische Kleineleute-Komödie mit Johannes Heesters; in Großbritannien MY SONG GOES ROUND THE WORLD, die englische Version seines Joseph Schmidt-Films; in Österreich die musikalische Komödie HEUT' IST DER SCHÖNSTE TAG IN MEINEM LEBEN, mit Schmidt und Felix Bressart; in Frankreich den Abenteuerfilm TEMPETE SUR L'ASIE mit Conrad Veidt und Sessue Hayakawa.

In den USA, wohin er 1938 geht, findet er nur schwer Anschluß an die Filmindustrie. I WAS A CRIMINAL, ein Remake von DER HAUPTMANN VON KÖPENICK, im Herbst 1941 mit Albert Bassermann in der Titelrolle und unter Beteiligung anderer Emigranten gedreht, kommt erst 1945 unter dem Titel PASSPORT TO HEAVEN erfolglos in die Kinos; die Billigproduktion ISLE OF MISSING MEN entsteht 1942 für die Monogram. Mit dem Drehbuch "Bitter Fruit", das er mit Stephen Marek geschrieben hat, will Oswald abermals einen Film über Geschlechtskrankheiten drehen. Trotz aller Unterstützung, die er in medizinischen Fachkreisen sammelt, scheitert das Projekt an den rigiden Regeln des Production Code.

ISLE OF MISSING MEN: John Howard, Richard Oswald, Gerd Oswald, Louis Berkoff, Alan Mowbray

Mit seiner in Hollywood gegründeten Firma Skyline Productions dreht er 1948/49 nach Balzacs Hochstapler-Komödie "Mercadet" THE LOVABLE CHEAT mit Curt Bois und Buster Keaton in markanten Nebenrollen. Nachdem 1949 die während des Krieges als "alien property" beschlagnahmten Filme wieder freigegeben worden sind, kann Oswald DREYFUS, DER HAUPTMANN VON KÖPENICK und EIN LIED GEHT UM DIE WELT erneut in die deutschen Kinos bringen. Immer wieder macht er Pläne, bietet seine alten Lieblingsthemen zur Neuverfilmung an, führt seine erhaltenen Filme vor.

Anfang der 50er Jahre unternimmt er mit seiner Firma Richard Oswald TV Productions einen letzten Versuch, aktiv Filme zu realisieren. Er entwickelt das Konzept einer Fernsehserie "Destiny": "dramatische Vignetten der letzten dreißig Minuten im Leben weltbekannter Leute". Das auf über hundert Folgen angelegte Projekt endet mit einer fertiggestellten Pilot-Show: MAYERLING.

1962 besucht Richard Oswald Deutschland. Er trifft seine Verwandten in Düsseldorf, fährt weiter nach Rom, wo er seinen Sohn Gerd bei Dreharbeiten besucht. Als er dort schwer erkrankt, bringt ihn seine Frau Käte nach Düsseldorf zurück. Dort stirbt Richard Oswald am 11. September 1963.



Auszeichnung

1957 Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.

Literatur

Von Oswald

  • Der Feind im Land. In: Lichtbild-Bühne, Nr. 41, 14.10.1916.
  • Film und Publikum. In: B.Z. am Mittag, 8.1.1917.
  • Film-Autoren. In: Der Kinematograph, Nr. 600, 3.7.1918.
  • (mit E. A. Dupont): Es werde Licht. II. Teil. (1. und 2. Akt). In: E. A. Dupont: Wie ein Film geschrieben wird und wie man ihn verwertet. Berlin: Kühn 1919, S. 47-54. (Drehbuchauszug).
  • Zensur oder Selbstzucht. In: Film-Kurier, Nr. 12, 3.7.1919.
  • Regisseur und Schauspieler. In: Film-Kurier, Nr. 42, 25.7.1919; Nachdruck: Walter Kaul, Robert G. Scheuer (Red.): Richard Oswald. Berlin/West: Deutsche Kinemathek 1970, S. 19-21.
  • Filmregie. In: Olaf Skolnar (Hg.): Illustrierter Film-Almanach auf das Jahr 1921. Berlin: Deutscher Film-Verlag 1920, S. 70-71; Nachdruck: Kaul/Scheuer 1970, S. 22-23.
  • Gebt uns Filmkritiker. In: Das Tage-Buch, Nr. 49, 18.12.1920, S. 1578-79.
  • Die Frau im Film. In: H. Straßburger: Die galante Frau. Damen-Almanach 1921.
  • Lady Hamilton. Berlin: Richard Oswald-Film AG 1921, 38 S., (Broschüre); Nachdruck: dif - Filmkundliche Mitteilungen, Nr. 3/4, Dezember 1971, S. 11-48. (Filmtext).
  • Über Millionenfilme. In: Film-Arena, Nr. 13, 19.4.1921.
  • Film-Kritik. In: Der Montag, Sonderausgabe des Berliner Lokal-Anzeigers, 19.12.1921.
  • Sollen Filme doppelt besetzt werden? In: Das Tage-Buch, Nr. 3, 21.1.1922. (Antwort auf eine Umfrage).
  • Das Preisausschreiben der Richard Oswald-Film AG. Ausschreibung und Veröffentlichung der Preisträger. In: Das Tage-Buch, Nr. 5, 4.2.1922; Nr. 43, 28.10.1922.
  • Lucrezia Borgia. Berlin: Richard Oswald-Film AG 1922. (Broschüre).
  • Der "groß aufgemachte" Film. In: B.Z. am Mittag, 28.5.1922.
  • Nur keine Angst bitte... In: Berliner Lokal-Anzeiger, 31.7.1922. (Antwort auf eine Umfrage).
  • Der Stil des Exportfilms. In: Film-Kurier, Nr. 166, 4.8.1922.
  • Film-Erfolg und Film-Geschäft. In: Film-Kurier, Nr. 276, 18.12.1922.
  • Offener Brief an Herrn Wolffsohn. In: Film-Kurier, Nr. 127, 4.6.1923; dazu Antworten: L. G. In: Lichtbild-Bühne Tagesdienst, Nr. 22a, 5.6.1923; Karl Wolffsohn. In: Lichtbild-Bühne, Nr. 23, 9.6.1923.
  • Richtlinien für den internationalen Film. In: Der Welt-Film, Nr. 9, Juni 1923.
  • Der deutsche Film. Radiovortrag von Herrn Richard Oswald. In: Film-Kurier, Nr. 73, 25.3.1924.
  • Carlos und Elisabeth. In: Die Filmwoche, Nr. 9, 1924, S. 164-165; Nachdruck: Der Geschmack. In: dif - Filmkundliche Mitteilungen, Nr. 4, Dezember 1970.
  • Das Ausland und wir. In: Kino-Journal, Wien, Nr. 709, 1.3.1924, S. 1-2.
  • Richard Oswald gegen die "Deutsche Filmschule". In: Film-Kurier, Nr. 82, 4.4.1924.
  • Der Film als Kulturfaktor. In: E(dgar) Beyfuss, A(rthur) Kossowsky (Hg.): Das Kulturfilmbuch. Berlin: Chryselius 1924, S. 103-106.
  • Deutschland und Amerika. In: Lichtbild-Bühne, Nr. 35, 29.3.1924.
  • Spielleitung im Film. In: Film-Kurier, Nr. 304, 24.12.1927.
  • Deutschlands Produktion zum Jahreswechsel. In: Lichtbild-Bühne, Nr. 1, 1.1.1928. (Antwort auf eine Umfrage).
  • Richard Oswald. (Selbstporträt). In: Hermann Treuner (Hg.): Wir über uns selbst. Berlin: Sibyllen 1928, n.p.
  • Der Zwang zur Natürlichkeit. In: Lichtbild-Bühne, Nr. 262, 2.11.1931.
  • Gebt den Filmautoren Tantieme! In: Berliner Börsen-Zeitung, 2.1.1932.
  • "Action". Der mißverstandene Modebegriff. In: Offizieller Fest-Almanach der IX. Internationalen Filmfestspiele Berlin 1959; Nachdruck: Der Kurier, Berlin, 24.6.1959.
  • Film und Bühne. In: Nordsee-Zeitung, Bremerhaven, 4.8.1959.
  • Brief von Richard Oswald nach Berlin. In: Allgemeine Zeitung der Juden in Deutschland, 14.7.1961.

Über Oswald

  • Eine neue Film-Serie. In: Lichtbild-Bühne, Nr. 31, 31.7.1915.
  • Julius Urgiß: Filmregisseure I. Richard Oswald. In: Der Kinematograph, Nr. 485, 12.4.1916.
  • Die "Richard Oswald-Film"-Gesellschaft m.b.H., Berlin. In: Der Kinematograph, Nr. 500, 28.7.1916.
  • Richard Oswald Film-Aktien-Gesellschaft. In: Film-Kurier, Nr. 84, 11.4.1921.
  • Rosa Wachtel: Gespräch mit Richard Oswald. In: Die Filmwelt, Wien, Nr. 11, 1921; Nachdruck: dif - Filmkundliche Mitteilungen, Nr. 3/4, Dezember 1971, S. 49-50.
  • Eduard Jawitz: Mein ideales Manuskript. Gespräche mit Regisseuren. In: Film-Kurier, Nr. 76, 28.3.1923.
  • Hans Tasiemka: Lebensbilder von Meistern der Filmregie. I. Richard Oswald. In: Neue Illustrierte Filmwoche, Nr. 52, 1924.
  • B(ert) Reisfeld: Richard Oswald - gestern und morgen. In: Der Neue Film, Wiesbaden, 17.10.1949.
  • Friedrich Porges: Der Produzent Richard Oswald. In: Aufbau, New York, 30.1.1959.
  • PEM (= Paul Marcus): Immer stand er mitten im Leben. In: Aufbau, New York, 4.11.1960; Allgemeine Zeitung der Juden in Deutschland, 4.11.1960.
  • Hans Habe: Der große alte Mann des Films. In: Rhein-Neckar-Zeitung, Heidelberg, 5.11.1960.
  • Ingeborg Flatow: Die Richard-Oswald-Story. In: Rheinische Post, Düsseldorf, 3.2.1962.
  • Walter Kaul, Robert G. Scheuer (Red.): Richard Oswald. Berlin/West: Deutsche Kinemathek 1970, 80 S.
  • Michael Hanisch: Der stumme "Hund von Baskerville". Die Anfänge des Regisseurs Richard Oswald. In: Horst Knietzsch (Hg.): Prisma. Film- und Fernseh-Almanach 18. Berlin/DDR: Henschel 1988, S. 231-253.
  • Helga Belach, Wolfgang Jacobsen (Red.): Richard Oswald - Regisseur und Produzent. München: edition text + kritik 1990, (Ein CineGraph Buch), 184 S.


Filmografie