Als die Bilder singen lernten. Materialien zum 11. Internationalen Filmhistorischen Kongreß, Hamburg, 5. - 8. November 1998.

Paul Abraham

Eine Persönlichkeit film-musikalischen Schaffens

von Dr. H.

in: Licht-Bildbühne, 22.9.1931


Erste Anfänge: MELODIE DES HERZENS. Dann der ungewöhnliche Erfolg der PRIVATSEKRETÄRIN. Nun die Verheißung: VIKTORIA UND IHR HUSAR. Etappen einer markanten Laufbahn als Filmkomponist: Paul Abraham, umjubelter Meister der Filmoperette, heute stärkster Aktivposten filmmusikalischen Schaffens.

Voller Pläne, mitten in aktivstem Wirken. Mit dem ernsten Willen zur Kunst, zur Qualität. Selbstbewußt und doch bescheiden: so stellt sich dieser Musiker, der wie wenige seiner Kollegen wirkliche »Einfälle« hat, dem Besucher in seiner gemütlich-eleganten Wohnung in einer der stillsten Straßen Wilmersdorf dar.

Pläne? Zunächst geht es nach London zu den dortigen Aufnahmen der PRIVATSEKRETÄRIN in englischer Fassung. Eifrig wird gefeilt, gestrichen, hinzugefügt. Denn hier wie auch bei anderen Versionen muß Rücksicht auf den vom deutschen abweichenden Sprachrhythmus, Tempo genommen werden. Als Vielgefeierter wird er bei dieser Gelegenheit auch ein großes Atelierfest über sich ergehen lassen müssen.

Daneben Arbeiten an dem zukünftigen Filmwerk der hochinteressanten Kombination Greenbaum-Nero, das unter dem voraussichtlichen Titel »Geschäft mit Amerika« die Welt überraschen soll. Mit Erwartung sieht Abraham diesem Ereignis entgegen: geht er doch mit der schnell berühmt gewordenen ungarischen Soubrette Rosy Barsony ins Atelier. Am 15. Oktober sollen die ersten Szenen gedreht werden.

Und dann steht die Filmoperette DIE BLUME VON HAWAII auf dem Arbeitsplan. Wie in dem bereits beendeten VIKTORIA UND IHR HUSAR gilt es auch hier, die Musik den filmischen Erfordernissen unterzuordnen, anzupassen. Auch bei diesem Film wird Oswald die Regie führen, G.P.-Films, Berlin, ist sein Produzent.

Als Pendant zu einer bereits für den Februar-März nächsten Jahres vorgesehenen anderen Filmoperette soll im August 1932 »Das große Drama« in Angriff genommen werden, hier wie dort ein Film, der auf einer äußerst interessanten Produktionsbasis fundiert sein wird. Wir kennen diese, möchten aber auf Wunsch hierüber noch nichts Näheres bringen.
Daneben läuft natürlich die Bühne. Wir können berichten, daß eine Operette »Ball im Savoy« (Alfred Grünwald - Dr. Fritz Löhner - Bäde) das kommende Ereignis sein wird.
Ein klar umrissenes, quantitativ nicht übersteigertes Arbeitsprogramm (es reicht bis 1933). Quantitativ nicht übersteigert: Abraham scheut diese Gefahr mit allem Horror, die ein Mann der Qualität nur empfinden kann. Nicht verzetteln! Sich nicht verlocken lassen durch überreiche Angebote mit fast märchenhaften Honoraren.

Wille zur Qualität! Was nützt dieser und sein Urresultat, wenn technische Voraussetzungen, hemmend im Wege stehen. Instrumentation, das Steckenpferd Abrahams, bedeutet viel, sehr viel. »Nackt, völlig nackt stellt sich im Film die Musik dar!« Abraham sagt dies wörtlich. Hier gibt es kein Vertuschen durch Tempi, Paukenschlag. Hier gilt es zu zeigen, was man wirklich kann. Viel macht dabei die Erfahrung. Kleine und doch so wichtige Regeln: bei Tobis klingt die Violin-Mittellage besonders gut, bei Western die hohe Lage. Und vieles andere mehr. Das muß beachtet werden.

Viel zu wenig wurde bisher die Filmmusik ausgenutzt. Vieles muß nachgeholt werden. Der Komponist darf nicht mehr einer unter anderen sein. Fort mit der Schablonen-Musik, dafür aber verbesserte Stellung des Musikschöpfers! Die klassische Filmoperette gilt es zu schaffen!

All dies erzählt Abraham in seiner reizenden ungezwungenen Art. Dann muß der liebenswürdige Ungar ins Metropol-Theater. Sein erfolgreiches Werk selbst zu dirigieren. Ein Vielbeschäftigter von Format.


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