Als die Bilder singen lernten. Materialien zum 11. Internationalen Filmhistorischen Kongreß, Hamburg, 5. - 8. November 1998.

Schallplattenfirmen, Verleiher und Theaterbesitzer

Electrola im Vormarsch

in: Film und Ton (Wochenbeiblatt der Licht-Bildbühne), 15.2.1930


Im Rahmen der Tonfilm-Umstellung des deutschen Kinoparks, die sich - einerseits durch die sehr verschiedene Größe und Leistungsfähigkeit der Kinos, andererseits durch die Lieferungs-Bedingungen der Tonfilm-Apparate - unter den großen Schwierigkeiten und Reibungen vollzieht, welche unseren Lesern bekannt sind, spielt die Durchdringung des Theaterparks mit Schallplatten-Illustrationen eine gewichtige Rolle. Der Ersatz der »lebenden« Musik durch Schallplatten-Begleitung auch für Filme, die nicht als Ton bzw. Synchron-Film hergestellt sind, ist ein in seiner Wichtigkeit und seinen praktischen Auswirkungen gar nicht hoch genug einzuschätzendes Moment bei dem sich vollziehenden Umstellungsprozeß. Hier ist die Schallplatte - speziell im Klein- und Mittel-Kino - »Schrittmacher« des Tonfilms im wahrsten Sinne des Wortes.

Von den Schallplatten-Fabriken wird diese Situation mehr und mehr erfaßt. Eines der bedeutendsten, in seiner führenden Qualität international anerkannten Schallplatten-Unternehmens hat in dieser Woche nunmehr auch sein Interesse an der Umstellung der Lichtspielhäuser entscheidend mitzuwirken, demonstriert: die weltberühmte Marke Electrola. Man wird sie in den Kreisen des Filmgewerbes als Mitarbeiterin auf das entschiedenste begrüßen. Am Mittwoch hat die Electrola-Gesellschaft eine Musik-Illustration des bekannten Aafa-Films DONAUWALZER vor dem dicht besetzten Capitol in einer Sonderveranstaltung vorgeführt und den Beweis erbracht, daß das große Repertoire ihres Bestandes die verschiedensten Szenen musikalisch ausschöpfen kann. Kapellmeister Dransmann hat diese Illustration mit einer geringen Zahl von Platten bewältigt, vielleicht um zu zeigen, daß dies mit unerheblichen Kosten einwandfrei geschehen kann. Ihm kamen die bekannten Vorzüge der Electrola-Platten zustatten, deren Tonvolumen und Tonqualität jegliche dynamische Abstufung erlaubt. Obgleich hier keineswegs die Absicht bestand, mit dem Tonfilm oder mit dem synchronisierten Film in Kon-kurrenz zu treten, ergab die geschickte Begandlung des Electrola-Apparates eine pausenlose, mit interessanten Überblendungen gewürzte und geschmackvolle Illustration, deren Toncharakter klangfrisch, leuchtend und frei von mechanischer Starre war. Die von den besten Orchestern der Welt ausgeführten Aufnahmen kamen dem Gesamteindruck besonders gut zustatten, denn sowohl die wuchtigen, wie die lyrischen Elemente der Illustrationsmusik fesselten, ohne von der Handlung abzulenken. Vor allem aber ist bemerkenswert, die ungemein einfache, unkomplizierte Bedienung des Musikapparates selbst.

So weit, so gut. Für die Filmindustrie aber taucht jetzt die Frage auf, auf welchem Wege sich grundsätzlich die Zusammenarbeit mit der Schallplatten-Industrie für den genannten Zweck vollziehen soll. Soll die Schallplatten-Lieferantin mit dem Verleiher oder soll sie mit dem Theaterbesitzer direkt arbeiten? Mit anderen Worten: Soll der Verleiher die zur Illustration erforderlichen Schallplatten-Sätze erwerben und durch Verleih an den Theaterbesitzer ausnutzen - oder soll der Schallplatten-Fabrikant unmittelbar an den Theaterbesitzer als seinen Kunden herantreten.

Die »Deutsche Grammophon« ist letzteren Weg gegangen: Der Verleiher stellt ihr den Film zwecks Zusammensetzung der Plattenillustration zur Verfügung, die »Grammophon« vertreibt diese Illustration in den Theatern, die den Film spielen, und beteiligt den Verleiher dafür, daß er ihr die Möglichkeit zur Illustrierung gab, am Schallplatten-Umsatz.

Die »Electrola« dagegen geht von dme Gesichtspunkt aus, daß der Verleiher bei ihr so und soviel Sätze kaufen und dann selbst verleihen soll.

Wir halten den ersteren Weg für besser, schon seiner Einfachheit halber, den letzteren nicht für opportun; schon deswegen, weil er dem Verleiher neue Belastungen und neue Komplikationen auferlegen würde. Die musikalische Umstellung von der »lebenden« zur mechanischen Musik ist eine Angelegenheit der Theater, und die Schallplatten-Firmen haben hier mit den Theatern direkt zu arbeiten. Das primäre Interesse dieser Firmen ist schließlich der Vertrieb ihrer Musik-Apparate in den Lichtspielhäusern. Über die hohe Qualität der Electrola-Instrumente ein Wort zu verlieren erübrigt sich, aber ihr Einzug ins deutsche Lichtspielhaus würde erleichtert, wenn das Unternehmen sich hinsichtlich der Lieferung von Platten-Illustration entschließen würde, einen neuen Weg zu gehen, der dem Verleiher keine neue Lasten aufbürdet.


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